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15.02.2023

Realitätsfern, unfinanzierbar und mit stationärer Brille gedacht

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Dörthe Arnold
Pressesprecherin / Leiterin Kommunikationsabteilung KV Berlin

Empfehlungen zur Reform der Notfall- und Akutversorgung

Realitätsfern, unfinanzierbar und komplett mit der stationären Brille gedacht. So bewertet die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin die von der Regierungskommission vorgelegte Empfehlung zur Reform der Notfall- und Akutversorgung. „Man merkt diesem Papier von der ersten bis zur letzten Seite an, dass es von Vertretern der Krankenhauslandschaft und ohne ausreichende Kompetenz der ambulanten Versorgung geschrieben wurde. Damit schießt die Kommission komplett über das Ziel hinaus“, heißt es seitens des Vorstands der KV Berlin. „Umso tiefer wir in die Vorschläge und damit verbundenen Konsequenzen für die ambulante Versorgung einsteigen, umso deutlicher müssen wir werden: Mit der Neuordnung der Notfallversorgung, ohne dass Vertreter beider Seiten am Reformtisch sitzen, überschätzt sich der Gesetzgeber.“

Die Liste der Punkte, mit denen die KV Berlin massive Bauchschmerzen hat, ist lang. Eine Auswahl: Mit der vorgeschlagenen Ausweitung des Sicherstellungsauftrags in der ambulanten Notfallversorgung werden Doppelstrukturen geschaffen und wird in keiner Weise berücksichtigt, dass Notfallbehandlungen in Haus- und Facharztpraxen zum täglichen Geschäft gehören und – ganz aktuell – das System des TSS-Akutfalls eingeführt wird. Die Vorschläge zur Reduzierung der Wartezeiten bei der 116117 und der Einrichtung einer 24/7 erreichbaren allgemeinärztlichen und kinderärztlichen telemedizinischen Beratung sind realitätsfremd, ohne zu sagen, wie das ohne mehr Personal und Geld (die ambulante Notfallversorgung ist hochdefizitär) funktionieren soll. Gleiches gilt für den Vorschlag, Dolmetscherangebote und Botendienste für Arzneimittel vorzuhalten

Auch mit Blick auf die geplanten Integrierten Notfallzentren (INZ) wird klar, dass hier mit der Klinikbrille gedacht wurde. Mit elf KV-Notdienstpraxen, die mit Kliniken gemeinsame Tresen betreiben, lebt die KV Berlin bereits das Konzept der integrierten Notfallzentren. „Die jahrelange Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern hat uns gezeigt, dass das Zauberwort ‚Kooperation‘ heißt. Eine Vorgabe von Öffnungszeiten durch das jeweilige Krankenhaus und (im äußersten Fall) die Leitung des INZ durch die Klinik lehnen wir ab. Ebenso wie die gewünschte Anzahl von INZ und KINZ. Das ist in Berlin nicht umsetzbar“, heißt es weiter.

Insgesamt bleibt für die KV Berlin festzuhalten, dass viele vorgeschlagene Punkte bereits Realität sind. In der Leitstelle des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes werden die Patient:innen seit 2020 medizinisch ersteingeschätzt und bei Bedarf in die nötige Versorgung geleitet. Patient:innen können am Telefon mit Beratungsärzten sprechen und bei immobilen Personen und entsprechender medizinischer Indikation kommt der Hausbesuchsdienst. Die enge Zusammenarbeit der Leitstellen von 116117 und 112 (inklusive Datenschnittstelle zur Übergabe von Einsätzen) ist seit Jahren gelebte Praxis. Was der KV Berlin dagegen noch völlig fehlt, ist der Umgang der Bevölkerung mit den Angeboten der Notfall- und Akutversorgung. „In der Stellungnahme heißt es: Die Hilfesuchenden definieren den Notfall, das System die Reaktion darauf. Wenn das Realität wird, können wir uns die Reform sparen.“ Es müsse viel stärker in das Bewusstsein gerückt werden, wann welches Notfallangebot in Anspruch genommen werden sollte und wann nicht. Ein Beispiel, wie es gehen kann: Die gemeinsame Kampagne von KV Berlin und Berliner Feuerwehr „Die richtige Nummer im richtigen Moment“.

Mehr zur Kampagne