Sollte die Neupatientenregelung gestrichen werden
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin sieht sich gezwungen, bei Streichung der Neupatientenregelung einen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) für die Berliner Praxen einzuführen, der ab 2023 zu deutlichen Leistungseinschränkungen in der ambulanten Versorgung führen wird, heißt es in einer Resolution der Vertreterversammlung (VV), die gestern Abend einstimmig verabschiedet wurde und sich an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages richtet. Im Kern muss dann die Anzahl der Behandlungsfälle, die den Vertragsärzt:innen vergütet wird, reduziert werden. Die Konsequenz für die Patient:innen wären längere Wartezeiten.
„Das haben wir ursprünglich anders geplant. Seit Anfang des Jahres arbeiten wir an einem neuen HVM, der längst überfällig ist und an die Möglichkeiten des TSVG, insbesondere an die Neupatientenregelung und die offene Sprechstunde, angepasst werden soll. Ziel ist es, die ambulante Versorgung und den schnelleren Zugang der Patienten in die Praxen langfristig sicherzustellen. Das hätte vor allem in den schlechter versorgten Berliner Bezirken einen positiven Effekt“, heißt es seitens der VV-Vorsitzenden und des KV-Vorstands. Mit dem neuen HVM würde sich die Honorarverteilung an aktuellen Fallzahlen und nicht wie bisher an den Vorjahren orientieren. So soll den Praxen die Möglichkeit gegeben werden, die sogenannte Mengensteuerung praxisindividuell zu handhaben. Vor allem jüngere Praxen hätte dadurch die Möglichkeit, stärker zu wachsen und schneller mehr Patienten aufzunehmen. Die geplante Vereinfachung der Systematik soll aber auch als Anreiz für den ärztlichen Nachwuchs dienen, sich niederzulassen.
Sollte die Neupatientenregelung gestrichen werden, bleibt der KV Berlin nur die Rolle rückwärts. „Nur durch eine Reduzierung der Fallzahlen, sprich der Versorgung weniger Patienten, können wir dem Preisverfall der ärztlichen Leistungen entgegenwirken und den Betrieb der Praxen aufrechterhalten. Wir möchten an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit sagen: Bei der Neupatientenregelung handelt es sich nicht um einen Bonus, wie von den Krankenkassen behauptet. Die Praxen haben zum ersten Mal 100 Prozent Honorar für 100 Prozent Leistung erhalten. Damit wäre dann wieder Schluss. Das Budget wäre erneut für alle Patienten gedeckelt. Das stelle man sich mal in anderen Branchen vor: Würde ein Bäcker, der, umso mehr er verkauft, immer weniger Geld bekommen, nicht ernsthaft darüber nachdenken, weniger Brot zu backen?“, heißt es weiter.
Die KV Berlin bereitet sich derzeit auf zwei Szenarien vor – einen HVM mit und einen ohne Neupatientenregelung. Je nachdem, wie die parlamentarischen Beratungen zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz Ende Oktober ausgehen, wird der entsprechende Weg eingeschlagen. Doch noch denkt die KV Berlin nichts ans Aufgeben. „Mit unserem erfolgreichen Aktionstag am 7. September, an dem mehr als 2000 Praxen teilgenommen haben, haben wir eindrücklich gezeigt, dass wir uns die Vorgaben der Politik nicht gefallen lassen“, heißt es in der Resolution. Der nächste Schritt ist bereits in Arbeit. Derzeit sind Plakate und Informationsmaterialien wie Unterschriftenlisten und Musterbriefe an die Abgeordneten zu den mehr als 6500 Praxen unterwegs, mit denen die Patient:innen zur Unterstützung aufgerufen werden sollen.
Die vollständige Resolution finden Sie hier.