Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin warnt: Im Notfall entscheidet das Glück über die notwendige Versorgung
Die Gesundheitsversorgung in Deutschland wird immer teurer. Viele Krankenkassen arbeiten bereits defizitär, weshalb die Versicherten auch im kommenden Jahr mit steigenden Zusatzbeiträgen rechnen müssen. Gleichzeitig wächst die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durch die Bevölkerung stetig. Besonders spürbar treten die Belastungen im Bereich der Notfallmedizin zutage.
In Berlin gibt es derzeit 37 Rettungsstellen mit sehr unterschiedlichen Versorgungsangeboten. Während diese Zahl im bundesweiten Vergleich als Überversorgung gilt, fehlen zugleich verbindliche Struktur- und Qualitätsstandards, die eine verlässliche Versorgung sicherstellen könnten. Für die Patient:innen bedeutet das konkret: Im Notfall entscheidet gegebenenfalls das Glück, ob sie die unmittelbar notwendige Versorgung erhalten.
Die ursprünglich geplante Leistungsgruppe Notfallmedizin des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) hätte hier Abhilfe geschaffen. Mit verbindlichen personellen und technischen Vorgaben sollten bundesweit einheitliche Standards gesichert und die Notfallversorgung besser koordiniert werden. Dies hätte nicht nur zur Patientensicherheit beigetragen, sondern auch langfristig Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen ermöglicht. Doch im aktuellen Referentenentwurf zum KHVVG ist die Leistungsgruppe gestrichen – eine große vertane Chance.
„Ohne die Leistungsgruppe Notfallmedizin bleibt die Versorgung im Ernstfall möglicherweise reine Glückssache“, warnt Dr. Burkhard Ruppert, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin. „Die Politik nimmt damit bewusst in Kauf, dass Patientensicherheit nicht gewährleistet ist. Wir brauchen eine Reform, die ambulante und stationäre Strukturen klar miteinander verzahnt, um Ressourcen sinnvoll einzusetzen und Patient:innen zuverlässig nach ihrem medizinischen Bedarf zu versorgen.“
Die KV Berlin hat bereits 11 eigene Notdienstpraxen an Klinikstandorten eingerichtet, um ambulante Fälle gezielt dorthin zu lenken, wo sie hingehören: in die ambulante Versorgung und nicht unnötig in die Rettungsstellen. Über die bundesweite Rufnummer 116117 werden Patient:innen zudem gesteuert. Dennoch wenden sich viele direkt an die Rettungsstellen, mit erheblichen Folgen für die ohnehin knappen personellen und technischen Ressourcen des stationären Notfallbereichs.
„Anstatt die ambulanten Strukturen endlich klar in die Notfallversorgung einzubinden, setzt der Gesetzentwurf weiterhin ausschließlich auf die Krankenhäuser“, kritisiert die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Christiane Wessel. „Ohne die ambulant tätigen Haus- und Fachärzt:innen bleibt die Notfallversorgung unvollständig.“
Die KV Berlin fordert deshalb klare Nachbesserungen am KHVVG. Notwendig ist eine enge Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung, damit Patient:innen in Berlin und bundesweit zuverlässig und nach ihrem tatsächlichen Bedarf versorgt werden. Nur durch klare Qualitätsvorgaben, eine echte Patientensteuerung und eine strukturierte Zusammenarbeit lassen sich Patientensicherheit garantieren, Ressourcen effizient nutzen und die Notfallversorgung nachhaltig verbessern.