Bundesgesundheitsministerin plant ein Primärarztsystem über Hausärzt:innen
Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin begrüßt grundsätzlich die Einführung einer intelligenten und verbindlichen Versorgungssteuerung im ambulanten Bereich. Eine gezielte Koordination der Patient:innenströme ist dringend notwendig, um die ambulante Versorgung in der Hauptstadt zukunftssicher zu gestalten.
Vor diesem Hintergrund befürwortet die KV Berlin die Einführung einer erweiterten Steuerungslösung, wie sie am 26. Mai 2025 mit großer Mehrheit von der Vertreterversammlung der KBV in Leipzig beschlossen wurde. Das Forderungspapier der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) an die Bundesregierung sieht vor, dass gesetzlich Versicherte künftig zunächst eine Ärztin oder einen Arzt aus bestimmten Facharztgruppen wie Haus-, Kinder- oder Frauenärzt:innen als erste Anlaufstelle wählen sollen. Diese übernehmen die zentrale Koordination der Behandlung, planen den weiteren Versorgungsverlauf und stellen qualifizierte Überweisungen aus. Ziel ist es, die Versorgung effizienter zu gestalten, medizinische Engpässe zu vermeiden, unnötige Kosten zu senken und die Behandlungsqualität zu sichern.
Ausnahmen von der Steuerung, laut Forderungspapier der KBV, gelten für Fachärzt:innen der Augenheilkunde, ärztliche und psychologische Psychotherapeut:innen sowie Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut:innen, sie können weiterhin direkt aufgesucht werden. Auch für reine Früherkennungsuntersuchungen oder Schutzimpfungen ist keine Überweisung erforderlich.
Nina Warken plant Steuerung über die Hausärzt:innen
Gleichzeitig warnt die KV Berlin eindringlich vor einer einseitigen Ausrichtung auf die hausärztliche Versorgung als alleinige Steuerungsinstanz, so wie von der Bundesgesundheitsministerin auf dem Deutschen Ärztetag vorgestellt. „Qualifizierte Überweisungen zu Fachärzt:innen sind zweifellos sinnvoll, aber sie bedeuten gleichzeitig einen erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand in den hausärztlichen Praxen“, erklärt Dr. Christiane Wessel, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Berlin. „Ein ausschließlich primärärztlich gesteuertes System birgt die Gefahr, dass es zu massiven Engpässen kommt, die kaum zu bewältigen sind.“
Versorgungsengpässe und Mehraufwand für Hausärzt:innen
Laut Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) müssten bereits bei der aktuellen Hausärztezahl pro Praxis bis zu 2.000 zusätzliche Patient:innenfälle pro Jahr übernommen werden – ein erheblicher Mehraufwand. Die KV Berlin sieht die geplante verpflichtende Hausarztsteuerung für alle Patient:innen daher mit Vorsicht. Günter Scherer, Vorstandsmitglied der KV Berlin, erläutert: „Gerade für chronisch erkrankte Patient:innen kann es eine Herausforderung darstellen, künftig stets den Umweg über eine hausärztliche Überweisung gehen zu müssen – insbesondere dann, wenn bereits klar ist, welche fachärztliche Behandlung erforderlich ist. Ein Patient mit Rheuma muss auch weiterhin die Möglichkeit haben, Folgeüberweisungen direkt über die behandelnden Rheumatolog:innen zu erhalten.“
Angespannte Versorgungslage in Berlin
Hinzu kommt die angespannte Versorgungslage in der Hauptstadt: Allein im Ostteil Berlins sind derzeit 125 Hausarztsitze unbesetzt. Gleichzeitig nähert sich ein großer Teil der bestehenden Ärzteschaft dem Ruhestand. „Schon ohne neue Aufgaben und trotz angekündigter Entbürokratisierung steuert Berlin auf einen dramatischen Versorgungsmangel zu“, so Dr. Burkhard Ruppert, Vorstandsvorsitzender der KV Berlin. Unter diesen Bedingungen sei es äußerst fraglich, ob das bislang hohe Niveau der hausärztlichen Versorgung gehalten werden könne.
Die Rolle der 116117 als wichtige Unterstützung in der Versorgungssteuerung
Die KV Berlin sieht in der bundesweit einheitlichen Rufnummer 116117 ein wesentliches Instrument zur Unterstützung eines zukunftsfähigen Primärarztsystems. Als niedrigschwellige Anlaufstelle trägt sie dazu bei, Patient:innen gezielt in die hausärztliche Versorgung zu steuern, Notaufnahmen zu entlasten und digitale Ressourcen effizient einzusetzen. Im Jahr 2024 wurden über die 116117 rund 215.000 Termine vermittelt. Der Patientenservice bietet darüber hinaus medizinische Erstberatungen und Empfehlungen, vermittelt Termine bei Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen und koordiniert den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Diese Leistungen erfolgen sowohl telefonisch als auch digital über das „Patienten-Navi“, das bei entsprechender Dringlichkeit auch kurzfristige Akuttermine ermöglicht.
„Bereits heute erfolgen rund 75 Prozent der Terminvermittlungen bei Fach- und Hausärzt:innen über die Plattform 116117.de und die dazugehörige App. Ein deutliches Signal für das Potenzial digital gesteuerter Versorgung“, betont Dr. Burkhard Ruppert, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin.